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Kinder- und Jugendbeteiligung in Gemeinden

Gestzliche Grundlagen für Partizipation

In diesem Blogartikel gebe ich einen Überblick über die wichtigsten gesetzlichen Vorschriften zur Kinder- und Jugendbeteiligung von der internationalen Ebene bis zur kommunalen Ebene.

Ich erlebe immer wieder die Situation, dass weder Kinder und Jugendliche noch Verantwortliche in Kommunalpolitik und Verwaltung die wichtigsten Vorschriften kennen. Es gibt immer wieder große AHA-Erlebnisse, wenn ich darüber informiere.

Internationale Vorschriften zur Kinder- und Jugendbeteiligung

Die UN-Kinderrechtskonvention:

Sie wurde am 26. Januar 1990 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet und ist seit dem 5. April 1992 bundesweit geltendes Recht. Mit Ausnahme der USA haben alle Staaten diese UN-Konvention ratifiziert!

Für die Beteiligung von Kindern (Kinder im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention sind Menschen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres) sind in meinen Augen insbesondere die Artikel 3 und 12 zu beachten. Sie bedingen einander und die Umsetzung des einen ist ohne die Beachtung und Umsetzung des anderen nicht möglich.

Artikel 3 [Wohl des Kindes]
(1) Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.
(2) Die Vertragsstaaten verpflichten sich, dem Kind unter Berücksichtigung der Rechte und Pflichten seiner Eltern, seines Vormunds oder anderer für das Kind gesetzlich verantwortlicher Personen den Schutz und die Fürsorge zu gewährleisten, die zu seinem Wohlergehen notwendig sind; zu diesem Zweck treffen sie alle geeigneten Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen.
(3) Die Vertragsstaaten stellen sicher, dass die für die Fürsorge für das Kind oder dessen Schutz verantwortlichen Institutionen, Dienste und Einrichtungen den von den zuständigen Behörden festgelegten Normen entsprechen, insbesondere im Bereich der Sicherheit und der Gesundheit sowie hinsichtlich der Zahl und der fachlichen Eignung des Personals und des Bestehens einer ausreichenden Aufsicht.

Artikel 12 [Berücksichtigung des Kindeswillens]
(1) Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife.
(2) Zu diesem Zweck wird dem Kind insbesondere Gelegenheit gegeben, in allen das Kind berührenden Gerichts- oder Verwaltungsverfahren entweder unmittelbar oder durch einen Vertreter oder eine geeignete Stelle im Einklang mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften gehört zu werden.

Der Versuch der letzten Bundesregierung, die Kinderrechte ins Grundgesetz zu übernehmen ist gescheitert. Die vorgeschlagene Formulierung blieb jedoch hinter den Vorschriften der UN-Kinderrechtskonvention zurück und wäre somit ein Rückschritt gewesen.

Die Charta der Grundrechte:

Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union trat am 1. Dezember 2009 in Kraft und regelt die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen auf europäischer Ebene mit folgendem Wortlaut:

Artikel 24 [Rechte des Kindes]
(1) Kinder haben Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für ihr Wohlergehen notwendig sind. Sie können ihre Meinung frei äußern. Ihre Meinung wird in den Angelegenheiten, die sie betreffen, in einer ihrem Alter und ihrem Reifegrad entsprechenden Weise berücksichtigt.
(2) Bei allen, Kinder betreffenden, Maßnahmen öffentlicher oder privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein.

Nationale Vorschriften zur Kinder- und Jugendbeteiligung auf Bundesebene

Da die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz gescheitert ist, sind die wichtigsten Vorschriften zur Kinder- und Jugendbeteiligung auf Bundesebene im Sozialgesetzbuch achtes Buch und dem Baugesetzbuch zu finden:

Sozialgesetzbuch achtes Buch:

§ 8 [Beteiligung von Kindern und Jugendlichen]
(1) Kinder und Jugendliche sind entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen. Sie sind in geeigneter Weise auf ihre Rechte im Verwaltungsverfahren sowie im Verfahren vor dem Familiengericht und dem Verwaltungsgericht hinzuweisen.

§ 11 [Jugendarbeit]
(1) Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen.

§ 36 [Mitwirkung, Hilfeplan]
(1) Der Personensorgeberechtigte und das Kind oder der Jugendliche sind vor der Entscheidung über die Inanspruchnahme einer Hilfe und vor einer notwendigen Änderung von Art und Umfang der Hilfe zu beraten und auf die möglichen Folgen für die Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen hinzuweisen. Es ist sicherzustellen, dass Beratung und Aufklärung nach Satz 1 in einer für den Personensorgeberechtigten und das Kind oder den Jugendlichen verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form erfolgen.
(2) Die Entscheidung über die im Einzelfall angezeigte Hilfeart soll, wenn Hilfe voraussichtlich für längere Zeit zu leisten ist, im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte getroffen werden. Als Grundlage für die Ausgestaltung der Hilfe sollen sie zusammen mit dem Personensorgeberechtigten und dem Kind oder dem Jugendlichen einen Hilfeplan aufstellen, der Feststellungen über den Bedarf, die zu gewährende Art der Hilfe sowie die notwendigen Leistungen enthält; sie sollen regelmäßig prüfen, ob die gewählte Hilfeart weiterhin geeignet und notwendig ist. Hat das Kind oder der Jugendliche ein oder mehrere Geschwister, so soll der Geschwisterbeziehung bei der Aufstellung und Überprüfung des Hilfeplans sowie bei der Durchführung der Hilfe Rechnung getragen werden. (…)

§ 45 [Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung]
(1) Der Träger einer Einrichtung, in der Kinder oder Jugendliche ganztägig oder für einen Teil des Tages betreut werden oder Unterkunft erhalten, bedarf für den Betrieb der Einrichtung der Erlaubnis. ( … )
(2) Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung gewährleistet ist. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn ( … )
3. zur Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in der Einrichtung geeignete Verfahren der Beteiligung sowie der Möglichkeit der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten Anwendung finden.

§ 80 [Jugendhilfeplanung]
(1) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben im Rahmen ihrer Planungsverantwortung
1. den Bestand an Einrichtungen und Diensten festzustellen,
2. den Bedarf unter Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und der Erziehungsberechtigten für einen mittelfristigen Zeitraum zu ermitteln (…)
(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen darauf hinwirken, dass die Jugendhilfeplanung und andere örtliche und überörtliche Planungen aufeinander abgestimmt werden und die Planungen insgesamt den Bedürfnissen und Interessen der jungen Menschen und ihrer Familien Rechnung tragen.

Baugesetzbuch:

§ 3 [Beteiligung der Öffentlichkeit]
Die Öffentlichkeit ist möglichst frühzeitig über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung, sich wesentlich unterscheidende Lösungen, die für die Neugestaltung oder Entwicklung eines Gebiets in Betracht kommen, und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung öffentlich zu unterrichten; ihr ist Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung zu geben. Auch Kinder und Jugendliche sind Teil der Öffentlichkeit im Sinne des Satzes 1.

Neben den Gesetzen gibt es immer wieder unterschiedliche Aktionspläne und Richtlinien auf Bundesebene, die Kinder- und Jugendbeteiligung fördern und fordern.

Nationale Vorschriften zur Kinder- und Jugendbeteiligung auf Landesebene

Da die Bestimmungen von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich sind, nenne ich hier exemplarisch einige Vorschriften in denen häufig die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen festgeschrieben ist.

Landesverfassung
Ausführungsgesetze zum Sozialgesetzbuch achtes Buch
Ausführungsgesetze zum Baugesetzbuch
Kindertagesstätten Gesetz
Schulgesetz
Bildungs- und Rahmenpläne für Schule und Kindertagesstätte
Gemeindeordnung
Kommunalverfassung
Landkreisordnung

Wenn du zu deinem Bundesland konkrete Fragen hast,

Nimm gerne Kontakt zu mir auf!

Für die Umsetzung der Beteiligungsrechte auf allen Ebenen und in den entsprechenden Institutionen fordert das Deutsche Kinderhilfswerk den Einsatz von ausgebildeten und zertifizierten Moderator*innen für Kinder- und Jugendbeteiligung, sowie deren Ausbildung vor Ort. Die Ausbildung von Moderatoren vor Ort wird zudem finanziell unterstützt.

Seit 2010 bin ich zertifizierte Moderatorin für Kinder- und Jugendbeteiligung und lasse mich gerade zur Trainerin ausbilden. Ich biete für Kommunen und Einrichtungen die Durchführung von Beteiligungsprojekten sowie ab 2023 die Ausbildung von Moderator*innen für Kinder- und Jugendbeteiligung an.
In beiden Bereichen arbeite ich eng mit dem Deutschen Kinderhilfswerk und dem BundesNetzwerk Kinder- und Jugendbeteiligung zusammen, sodass in vielen Fällen eine finanzielle Förderung möglich ist.

Ich bin keine Juristin und erhebe für diesen Artikel keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die zitierten Paragraphen sind aktuell mit Stand März 2022. Als Quelle habe ich die Seite https://www.gesetze-im-internet.de/ genutzt.

Für weitere Fragen

Nimm gerne Kontakt zu mir auf!

So viel zu den rechtlichen Grundlagen von Partizipation. Ich freue mich, wenn für dich etwas Neues dabei war.

In meinem Blogartikel vom 24.03.2022 bin ich auf die allgemeinen theoretischen Grundlagen zur Kinder- und Jugendbeteiligung eingegangen.

Hier gehts zum Artikel!

*Hinweis zur gendergerechten Schriftform: Ich möchte mit meinem Text grundsätzlich alle ansprechen, unabhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung. Ich habe jedoch für mich noch keine Schriftform gefunden, die den Lesefluss nicht unterbricht.

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