14 Nov 35 Jahre UN-Kinderrechtskonvention, was bedeutet das für Kommunen?
Vor 35 Jahren, am 20. November 1989, wurde die UN-Kinderrechtskonvention von der Generalversammlung der UN einstimmig verabschiedet. Doch auch in einem wohlhabenden Land wie Deutschland sind die Kinderrechte noch lange nicht flächendeckend umgesetzt.
Rund 2,7 Millionen Kinder sind in Deutschland von Armut bedroht, Gesundheitsvorsorge und Zugang zu Bildung sind in Deutschland immer noch abhängig vom Geldbeutel der Eltern.
Es muss ein gesellschaftlicher Wandel stattfinden und Verantwortliche in Politik und Verwaltung müssen die Einhaltung der Kinderrechte endlich in den Vordergrund stellen. Nur so sind meiner Meinung nach die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft gemeinsam zu lösen.
Darum geht's in diesem Artikel
ToggleDie Entstehung der UN-Kinderrechtskonvention
Vom Mittelalter über die Industrialisierung zur heutigen, schnelllebigen Zeit, ein kurzer Abriss über die Entwicklung der Kinderrechte und die Entstehung der UN-Kinderrechtskonvention.
Ausgangspunkt Mittelalter
Kinder galten im Mittelalter als kleine Erwachsene. Sie kleideten sich wie Erwachsene, hatten sich so zu verhalten und waren selbstverständlich bei allem, was Erwachsene taten, mit dabei. Sie begleiteten ihre Eltern zur Arbeit, zum Markt, in Gaststätten und viele wurden von klein auf zum Betteln angehalten. Schulen gab es nicht. Alles, was die Kinder lernten, lernten sie durch Nachahmung und Erklärung der Erwachsenen.
Erst mit der Aufklärung änderte sich das Bild vom Kind und das Verständnis von Kindheit langsam. Durch die Französische Revolution entstand die erste Erklärung zu den Menschenrechten. Kinderrechte waren darin nicht explizit aufgeführt, sie wurden aber mehr und mehr zum Thema. Die Auseinandersetzung mit den Rechten der Kinder führte zu einer Trennung von Erwachsenenstrafrecht und Jugendstrafrecht. In Großbritannien wurde die Fabrikarbeit für Kinder unter 9 Jahren verboten.
1924 erste Satzung für Kinder, die Childrens Charta
Mit fortschreitender Industrialisierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts änderte sich die Diskussion um Gehorsam und Pflichten der Kinder. Es begann sich die Auffassung durchzusetzen, dass Kinder nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte haben. Immer mehr Pädagoginnen und Pädagogen setzen sich für die Achtung der Kinderrechte ein.
1902 entstand das Haager Abkommen zur Regelung der Vormundschaft gegenüber Minderjährigen, 1910 das internationale Übereinkommen zur Bekämpfung des Mädchenhandels. Am 24. September 1924 wurde die Childrens Charta von der Generalversammlung des Völkerbundes verabschiedet und als Genfer Erklärung bekannt. Sie enthielt grundlegende Rechte auf Wohlergehen, Schutz und Versorgung, hatte jedoch keinerlei rechtliche Verbindlichkeit.
Weitere Schritte bis zur UN-Kinderrechtskonvention
Durch die Auflösung des Völkerbundes 1946 verlor die Childrens Charta ihre Grundlage. Es folgten viele weitere Erklärungen und Abkommen, bis zur Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention 1989.
- UN-Übereinkommen für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland am 20. Juni 1956
- UN-Erklärung der Rechte des Kindes 1959, diese blieb ohne rechtliche Bindung
- Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961
- Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966
In den 1970er Jahren nahm auch in Deutschland die Diskussion über die Rechte des Kindes neue Fahrt auf. Die Kinderladenbewegung und die Debatten über antiautoritäre Erziehung brachten die Kinderrechte auf die Tagesordnung. Erst 1983 wurde in Westdeutschland die körperliche Züchtigung verboten, in der DDR bereits 1949.
Infolge dieser Entwicklungen wurde bei der UN-Menschenrechtskommission eine Arbeitsgruppe mit dem Auftrag gegründet, einen Entwurf eines Übereinkommens vorzulegen. Dieser wurde im März 1989 einstimmig angenommen. Am 20. November 1989 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen einstimmig die Kinderrechtskonvention. Diese trat am 2. September 1990 in Kraft, 30 Tage nach der 20. Ratifizierung durch ein Mitgliedsland. Sie ist das wichtigste, internationale Menschenrechtsinstrumentarium für Kinder!
Die UN-Kinderrechtskonvention ist auch in Deutschland geltendes Recht auf Bundesebene und gilt somit auf allen politischen Ebenen. Die Normen sind von Verwaltungen und staatlichen Einrichtungen unmittelbar umzusetzen.
Die Grundprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention
Eine der wichtigsten, und bei Verabschiedung neue, Grundannahme der UN-Kinderrechtskonvention besteht darin, dass Kinder Träger eigener unveräußerlicher Rechte sind. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten allein Erwachsene diese Privilegien. Nach der UN-Kinderrechtskonvention umfasst der Begriff des Kindes alle Menschen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Die Konvention umfasst 54 Artikel, diese lassen sich durch Zuordnung zu Untergruppen in vier Grundprinzipien einordnen.
Das Prinzip der Nichtdiskriminierung
Das Recht des Kindes auf Nichtdiskriminierung nach Artikel 2 der UN-Kinderrechtskonvention bedeutet, dass jedes Kind, unabhängig von seiner Sprache, Religion oder Hautfarbe, egal ob mit Behinderung oder ohne und auch unabhängig von seinem Aufenthaltsstatus genau dieselben Rechte besitzt. Einem ausländischen Kind bspw. steht laut Kinderrechtskonvention eine ärztliche Versorgung in gleicher Qualität zu wie einem Kind mit deutscher Staatsbürgerschaft.
Das Prinzip des Kindeswohlvorrangs
Das Recht des Kindes auf Vorrang des Kindeswohls nach Artikel 3 der UN-Kinderrechtskonvention meint, dass bei jeder Entscheidung, die Kinder betrifft, das Wohl des Kindes als ein vorrangiger Gesichtspunkt berücksichtigt werden muss. So bspw. beim Bau einer neuen Straße oder bei Entscheidungen eines Familiengerichtes.
Das Prinzip von Leben und Entwicklung
Das Recht des Kindes auf Leben und Entwicklung nach Artikel 6 mein, dass jedem Kind der bestmögliche Schutz des Lebens sowie die bestmögliche Förderung und Entwicklung zusteht. Herkunftsbedingte Nachteile müssen vom Staat und seinen Organisationen ausgeglichen werden.
Das Prinzip der Beteiligung
Aus dem Recht des Kindes auf Beteiligung nach Artikel 12 ergibt sich, dass die Meinung der Kinder und Jugendlichen bei sämtlichen ihre Angelegenheiten betreffenden Entscheidungen berücksichtigt werden muss. Dabei kann es zum Beispiel um den Bau eines Spielplatzes oder die Erweiterung des Jugendzentrums gehen. Aber auch Themen, wie die Planung eines neuen Gewerbegebietes, die auf den ersten Blick nichts mit Kindern zu tun haben, sind eingeschlossen.
Eine weitere Möglichkeit, die Artikel der UN-Kinderrechtskonvention zu sortieren, teilt diese in Schutz-, Förderungs- und Beteiligungsrechte ein. Wobei der Kindeswohlvorrang dabei als „Dach“ über den anderen Rechten steht.
Wie können Kommunen die UN-Kinderrechtskonvention umsetzen?
Um die Verantwortlichkeit der Erwachsenen für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention noch deutlicher zu zeigen, zitiere ich Artikel 3, Absatz 1 und Artikel 12, Absatz 1 der UN-Kinderrechtskonvention:
„Artikel 3: Wohl des Kindes
(1) Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleich viel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“
„Artikel 12: Berücksichtigung des Kindeswillens
(1) Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife.“
Jede Kommune ist zur Umsetzung der oben genannten Artikel verpflichtet, und selbst wenn dort steht, „das Kind berührende Angelegenheiten“, so sind spätestens in zehn bis fünfzehn Jahren die Kinder erwachsen und werden somit an der Gestaltung der eigenen Zukunft beteiligt. Die Umsetzung der Kinderrechte ist somit als Querschnittsaufgabe für alle Bereiche der Kommunalverwaltung zu verstehen. Und da ich als Erwachsene nicht weiß, was für Kinder das Beste ist, was dem Wohl des Kindes entspricht, muss ich die Kinder mindestens fragen.
Kinder informieren
Als Grundlagen für die Umsetzung der Kinderrechte und auch für die Beteiligung von Kindern sehe ich Information und Transparenz. Die Verwaltung ist in der Pflicht, Informationen über vorhandene Angebote, Beteiligungsmöglichkeiten und Möglichkeiten zur Beschwerde für Kinder sowie über die Arbeit der Verwaltung und die Tätigkeiten und Zuständigkeiten der Kommunalpolitik zur Verfügung zu stellen. Zudem ist sie verpflichtet, für die Bekanntmachung der Kinderrechte zu sorgen. Die Informationen müssen grundsätzlich kindgerecht aufbereitet werden und für alle Kinder und, als deren Vertretung, den Eltern zugänglich, verständlich und erreichbar sein. Als Beispiel reicht es nicht, einen Bebauungsplan während der Öffnungszeiten des Rathauses von 9:00 bis 12:00 Uhr auszulegen, zu dieser Zeit sind Kinder in der Schule und die meisten Eltern müssen arbeiten und haben nicht die Möglichkeit, sich den Plan anzuschauen.
Kinder beteiligen
Die Verwaltung kann meiner Meinung nach nur herausfinden, was dem Kindeswohl entspricht, wenn sie Kinder beteiligt. Und da das Kindeswohl ein Aspekt ist, der vorrangig zu beachten ist, sind grundsätzlich und in letzter Konsequenz alle Themen, die Verwaltung und Politik bearbeiten, mit Kindern gemeinsam zu planen, zu entwickeln und zu entscheiden.
Bis dahin ist es für die meisten Kommunen noch ein weiter Weg. Doch es ist wichtig, mit kleinen Schritten anzufangen. Denn letztlich müssen sowohl Erwachsene als auch Kinder erst lernen, wie Beteiligung funktioniert.
Demokratie ist die einzige Staatsform, die wir lernen müssen. Sie wird uns nicht in die Wiege gelegt wie eine Diktatur. Austausch, Diskussionen, das Gegenüber ernst nehmen mit seinen Themen und Bedürfnissen, Kompromisse aushandeln und aushalten, all das gehört zur Demokratie und muss geübt werden. Je offener wir aufeinander zugehen, umso leichter fällt es uns.
Ein erster Schritt kann es sein, dass der Bürgermeister sich in den Pausen auf den Schulhof stellt und mit den Kindern ins Gespräch kommt. Eine Zusammenarbeit mit der Schulsozialarbeit kann dabei hilfreich und unterstützend sein, da diese überwiegend schon Kontakt zu den Kindern hat.
Verlässliche Strukturen schaffen
Um die Kinderrechte dauerhaft als Querschnittsaufgabe umzusetzen, ist es für alle Seiten hilfreich, verlässliche Strukturen zu schaffen. Das benötigt Zeit und personelle Ressourcen. Externe Unterstützung mit dem Blick von Außen kann den Prozess professionell begleiten und gestalten.
Ich finde es für diesen Prozess sehr sinnvoll, eine Arbeitsgruppe ins Leben zu rufen, in der alle wichtigen Bereiche einer Kommune vertreten sind: Politik, Verwaltung, Schulsozialarbeit, offene Jugendarbeit, Vereine, Verbände und weitere Stakeholder. Weiter ist es wichtig, sich in dieser Gruppe über die Begrifflichkeiten der Kinderrechte und der Beteiligung auszutauschen und abzustimmen, was gemeint ist, wenn man zum Beispiel von Beteiligung spricht, was dieses Wort für diese Gruppe genau bedeutet.
Genauso wichtig ist es, die Kinder möglichst früh im Prozess zu beteiligen. Auch hier gilt, die Kinder benötigen zuerst Informationen und sollten auf denselben Wissensstand wie die Erwachsenen gebracht werden. Erst dann können die zukünftigen Strukturen der Beteiligung gemeinsam und Schritt für Schritt erarbeitet werden.
Mein Fazit
Die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention ist in jeder Kommune als Querschnittsaufgabe vorrangig zu bearbeiten. Gerade in dieser Zeit, in der die Herausforderungen für unsere Demokratie und für uns als Menschen immer komplexer werden und die Welt immer schnelllebiger wird, können wir auf unsere Zukunft, auf unsere Kinder nicht verzichten. Nur wenn wir ihre Meinungen, ihre Bedürfnisse und ihr Wohlergehen in den Vordergrund stellen, sind die Herausforderungen noch zu meistern.
- Du möchtest in deiner Kommune die Umsetzung der Kinderrechte in den Fokus rücken und weißt nicht, wie?
- Deine Kommune hat sich schon auf den Weg gemacht und kommt in diesem Prozess nicht weiter?
⇨ Dann nimm hier Kontakt zu mir auf für deine offenen Fragen.
Ich bin keine Juristin und gebe keine rechtliche Beratung. Als Quelle habe ich diese Website genutzt: https://www.kinderrechte.de/
Wer ich bin und was ich mache:
Ich bin Gönna Hartmann, verheiratet, zwei Töchter und komme aus dem schönen Schleswig-Holstein. Schleswig-Holstein ist mit seiner Lage zwischen Nord- und Ostsee, Dänemark und Hamburg nicht nur wunderschön, wir sind auch ein Vorreiter in der Kinder- und Jugendbeteiligung. Das brachte mir die Chance, schon während meines Studiums der Sozialpädagogik an der FH-Kiel an verschiedenen Modellprojekten mitzuwirken.
Inzwischen bin ich seit über 15 Jahren freiberuflich in ganz Deutschland unterwegs. Ich habe eine Ausbildung zur Trainerin, zur Beraterin und zur Moderatorin für Kinder- und Jugendbeteiligung gemacht und unterstütze Kommunen und Einrichtungen bei der Umsetzung von Kinder- und Jugendbeteiligung und der Schaffung verlässlicher Strukturen.
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*Hinweis zur gendergerechten Schriftform: Ich möchte mit meinem Text grundsätzlich alle ansprechen, unabhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung. Ich habe jedoch für mich noch keine Schriftform gefunden, die den Lesefluss nicht unterbricht.
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