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Stadtentwicklung mit Kindern und Jugendlichen

Stadtentwicklung mit Kindern und Jugendlichen – zwei Gemeinden, zwei Beispiele

Seit Beginn meiner freiberuflichen Tätigkeit arbeite ich immer wieder mit Kommunen zusammen, die bei der Stadtentwicklung oder Stadtplanung die Interessen und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen mit einbeziehen wollen. Sie haben erkannt, wie wichtig es ist, alle Teile der Bevölkerung mitzunehmen, wenn sie etwas verändern wollen. 

Bei diesen Entwicklungsprozessen unterstütze ich Kommunen bei der gesetzeskonformen Beteiligung von Kindern und Jugendlichen über den gesamten Prozess. Häufig wählen wir für eine erste Bestandsaufnahme der Wünsche und Ideen der Kinder und Jugendlichen die Methode der Zukunftswerkstatt.

Das Konzept der Zukunftswerkstatt

In der Zukunftswerkstatt erarbeitet eine Gruppe von Kindern oder Jugendlichen Lösungsvorschläge oder Umsetzungsstrategien zu einem Thema oder einem Problem. Hierbei wird nach einem dreiteiligen Phasenaufbau (Kritik – Idee – Umsetzung) vorgegangen und Fantasie fördernde Methoden werden eingesetzt. Idealerweise geht die Zukunftswerkstatt über zwei ganze Tage. Es besteht die Möglichkeit, die Phasen auf zwei oder drei Tage aufzuteilen.

Die Einstiegsphase soll der Gruppe das Ankommen und Orientieren am Anfang der Zukunftswerkstatt erleichtern. Wichtig sind aktivierende Methoden, bei denen die Teilnehmenden selbst tätig werden, miteinander ins Gespräch kommen und langsam in das Thema einsteigen.

Die Kritikphase

In der Kritikphase wird zu einer oder mehreren Fragen Dampf abgelassen. Die Phase dient eher dazu, Kritik zu sammeln und nicht dazu, diese zu analysieren.

Ziel ist es, den Kopf für Neues freizubekommen und die Grundlage für Assoziationen bei der kreativen Ideenentwicklung in der folgenden Fantasie-Phase zu legen. Ein angstfreies Klima ist in der Kritikphase wichtig, alles darf gesagt, geschrieben und kritisiert werden.

In dieser Phase kommen unterschiedliche Methoden zum Einsatz, die teilweise eine kreative Auseinandersetzung mit der Ist-Situation fördern, teilweise einfach und stichpunktartig Kritikpunkte sammeln.

Fantasie- und Utopie-Phase

Hier geht es darum, die Gegenwelt zur Kritik zu schaffen, Problemlösungen und neue Ideen zu entwickeln. „Was wäre ideal?“, „Was wünsche ich mir?“, „Was erträume ich mir?“, „Wie können wir es besser machen?“ sind die Fragen in dieser Phase. Alles kann erträumt werden, nichts ist unmöglich.

In der Fantasie-Phase sind Fantasie-Lockerungen und Kreativ-Methoden wichtig, um den Kindern und Jugendlichen das häufig ungewohnte Träumen und Spinnen zu erleichtern. Die Fantasie-Phase muss sehr deutlich von den anderen Phasen getrennt werden! Kritik an den Ideen und Wünschen oder die Überprüfung der Realisierbarkeit haben im Kern der Fantasie-Phase nichts zu suchen!

Die Umsetzungsphase

Nach den Höhenflügen in der Fantasie- und Utopie-Phase geht’s nun auf den Boden der Tatsachen zurück. In dieser Phase wird geschaut, welche Ideen und Wünsche weiterbearbeitet werden sollen und für die Gruppe am wichtigsten sind. Danach steht die Frage im Vordergrund, wie die Umsetzung dieser Ideen angegangen werden kann.

Nach Möglichkeit sollte diese Phase mit einem Handlungsplan (Wer, Was, bis wann?) enden. Ziel ist es, die Teilnehmenden auch über die Zukunftswerkstatt hinaus zum aktiven Handeln zu motivieren.

Mit der Ausstiegsphase endet die Zukunftswerkstatt. Hier findet vor allem ein Gesamtfeedback statt.

(zitiert aus „mitreden – mitplanen – mitmachen, Kinder und Jugendliche in der Kommune“, C. Brunsemann, W. Stange und D. Tiemann, Berlin und Kiel 1997)

Die Spielleitplanung in Schleswig

Einer meiner ersten Aufträge war 2010 die Begleitung und Moderation der Spielleitplanung in Schleswig. Bei der Spielleitplanung handelt es sich um eine nachhaltige und umweltgerechte Entwicklungsplanung für Städte und Ortsgemeinden, die sich an den Bedürfnissen und Sichtweisen von Kindern und Jugendlichen orientiert. Sie ist ein Verfahren zur Erhaltung und Verbesserung des Lebens- und Wohnumfeldes von Kindern und Jugendlichen. Ein zentraler Bestandteil aller Planungs-, Entscheidungs- und Umsetzungsschritte ist die Beteiligung von Mädchen und Jungen. Aus der Verzahnung von räumlicher Planung und Beteiligung ergibt sich die besondere Qualität der Spielleitplanung.

Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen

Im Rahmen der Spielleitplanung in Schleswig nahm Kinder- und Jugendbeteiligung einen wichtigen Stellenwert ein. In unterschiedlichen Formaten wurden mit den Kindern und Jugendlichen gemeinsam Kritikpunkte am Istzustand und Ideen für eine Verbesserung der Lebensbedingungen in Schleswig gesammelt und weiter bearbeitet.

Neben Fragebogen-Aktionen und Stadtteilbegehungen fand ein Tagesworkshop mit ca. 30 Kindern und Jugendlichen statt. Dieser orientierte sich in Ablauf und Gestaltung an den drei Phasen der Zukunftswerkstatt. Die Teilnehmenden waren engagiert und motiviert dabei, sie fühlten sich ernst genommen, es ging um ihre eigenen Themen, um ihren Lebensalltag in Schleswig.

Der Anteil der Erwachsenen

Über die gesamte Projektdauer der Spielleitplanung organisierte eine Steuerungsgruppe aus Kommunalverwaltung, -politik und Vertretungen aus der Jugendhilfe die Abläufe und Veranstaltungen. Ebenso wurden hier inhaltliche Themen diskutiert.

Zwei beauftragte Planungsbüros erstellten aus den gesammelten Ideen und Vorschlägen zur Verbesserung der Lebensqualität in Schleswig den „Spielleitplan“ in dem es entgegen seinem Namen nicht nur um Spiel- und Freiräume für Kinder und Jugendlichen ging, sondern ebenso um Infrastruktur, Versorgung und Gefahrenpunkte. Alles war kartiert und es wurden Starter-Projekte empfohlen.

Die Enttäuschung der Kinder und Jugendlichen

Eine wichtige Aufgabe der Erwachsenen bei der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ist die transparente Kommunikation des ganzen Prozesses. Es muss allen Beteiligten klar sein: Welche Entscheidungen stehen an, wer trifft diese Entscheidungen, was wird aus dem ganzen Prozess umgesetzt. Drei Aspekte, die leider in Schleswig nicht gut kommuniziert wurden. Es gab kaum Kommunikation über die Ergebnisse der Beteiligung, weder an die Kinder und Jugendlichen noch an die Öffentlichkeit und es wurde auch nicht über die Umsetzung der einzelnen Vorschläge kommuniziert.

Die Spielleitplanung in Schleswig wurde durch die Bundesrepublik und das Land Schleswig-Holstein gefördert. Diese Mittel waren begrenzt auf den eigentlichen Prozess der Planung. Für die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen und die Verstetigung der Spielleitplanung stellte die Stadt Schleswig nur wenig Mittel zu Verfügung, sodass die Kinder und Jugendlichen keine Wirkung ihres eigenen Handels erleben konnten.

Diese unzureichende Kommunikation mit den Kindern und Jugendlichen und die Tatsache, dass kaum etwas umgesetzt wurde, führte zu einer großen Enttäuschung bei den Kindern und Jugendlichen. Diese für spätere Beteiligungsprojekte zu motivieren, wurde sehr schwierig.

Die Zukunftswerkstatt in Rosbach vor der Höhe

Diese Gemeinde hatte sich für das Projekt „Jugend entscheidet“ der gemeinnützigen Hertie Stiftung beworben, wurde dafür jedoch nicht zugelassen. Sie hat sich ohne finanzielle Unterstützung auf den Weg gemacht, Kinder- und Jugendbeteiligung vor Ort professionell umzusetzen.

Die Themen der Jugendlichen aufgreifen

In Rosbach sind Jugendliche auf die Verwaltung zugekommen und haben den Wunsch nach einem Jugendplatz für ihre Gemeinde geäußert. Dieser Wunsch wurde ernst genommen und in der Verwaltung auf Realisierbarkeit geprüft.

Schon bald stand fest, dass Gelder zur Verfügung standen und weitere Mittel beantragt werden konnten. Es wurde für das Vorhaben ein Platz erworben, den die Jugendlichen als geeigneten Platz bezeichneten.

Um in die genauere Planung des Platzes einzusteigen, wurde mit ca. 25 Kindern und Jugendlichen eine zweitägige Zukunftswerkstatt veranstaltet. Es wurden Ideen und Wünsche für den Jugendplatz gesammelt und erste Modelle gebaut.

Die Jugendlichen ernst nehmen

Während der Zukunftswerkstatt und auch sonst stehen in Rosbach sowohl Verwaltungsmitarbeitende als auch Kommunalpolitiker*innen den Kindern und Jugendlichen Rede und Antwort. Sie sind offen für ihre Themen und Fragen und informieren gerne und verständlich über den aktuellen Projektstand.

Sie nehmen die Kinder und Jugendlichen mit ihren Bedürfnissen, Wünschen und Ideen ernst und beteiligen sie im gesamten Projektverlauf. Sei es im Rahmen von kleinen Planungstreffen, bei denen der Fachplaner sich mit den Kindern und Jugendlichen bespricht, sei es durch Information über den aktuellen Stand.

Der Zeitraum von der ersten Idee bis zur Einweihung eines Jugendplatzes ist für Kinder und Jugendliche sehr lang, deshalb ist es besonders wichtig, sie immer wieder anzusprechen, zu beteiligen und zu informieren.

Mein Fazit

Inzwischen bin ich fast 13 Jahre freiberuflich in Kommunen in ganz Deutschland aktiv für die ernst gemeinte Beteiligung von Kindern und Jugendlichen.

Meiner Erfahrung nach gelingt eine zukunftsfähige und Generationen gerechte Stadtentwicklung oder Stadtplanung nur, wenn auch bei diesem komplexen Thema die Interessen, Bedürfnisse und Ideen von Kindern und Jugendlichen ernst genommen werden und sie im gesamten Prozess beteiligt werden.

Um mit Kindern und Jugendlichen einen Einstieg in die gemeinsame Stadtentwicklung zu finden, eignet sich die Zukunftswerkstatt als Konzept und Veranstaltungsformat besonders gut. Sie spricht mit ihren vielfältigen Methoden Kinder und Jugendliche an und fördert ihre Fantasie.

Welche Erfahrungen hast du mit dem Format der Zukunftswerkstatt?

Schreibe mir gerne in die Kommentare.

*Hinweis zur gendergerechten Schriftform: Ich möchte mit meinem Text grundsätzlich alle ansprechen, unabhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung. Ich habe jedoch für mich noch keine Schriftform gefunden, die den Lesefluss nicht unterbricht.

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